Vergib uns unsere Schuld by Lind Hera

Vergib uns unsere Schuld by Lind Hera

Autor:Lind, Hera
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Diana TB
veröffentlicht: 2019-10-26T12:06:56+00:00


20

Dresden, Mitte August 1983

In den nächsten Tagen besuchten wir uns gegenseitig am Krankenbett. Einer saß im Rollstuhl, der andere im Bett. Immer wieder besprachen wir die jüngsten Vorkommnisse. Wir hatten ja unheimlich viele Wissenslücken zu schließen! Je mehr ich erfuhr, wie sehr man Raphael mit Intrigen, Drohungen, Vorwürfen, Bußübungen und Ausschluss aus der Gemeinschaft zugesetzt hatte, desto leichter konnte ich ihm verzeihen.

Der Bischof meldete sich erneut im Krankenhaus und fragte – scheinheilig? – nach Raphaels Befinden.

Raphael ordnete an, keine Auskunft zu erteilen und keinen Besuch vorzulassen, außer »seiner Frau«.

Dann bekam er plötzlich Post von der Abteilung der Inneren Sicherheit nachgesandt. Darin stand, er dürfe nach seiner Genesung sofort in den Westen ausreisen. Obwohl er den Antrag gar nicht unterschrieben hatte – das musste dann wohl der Bischof für ihn erledigt haben.

Es war bestimmt kein Zufall, dass beide Institutionen kurz nach der Geburt unserer Söhne hier im Krankenhaus aufschlugen.

Vielleicht hofften sie, Raphael hätte beim Anblick der Zwillinge kalte Füße gekriegt?

Oder die Reize des Westens würden ihn mehr locken als meine?

Sie wollten uns immer noch trennen! Unfassbar! Innerlich schnaubte ich vor Wut.

»Schreib dem Bischof einen Brief«, forderte ich. »Die Sache mit dem Unfall können wir nicht beweisen. Aber du distanzierst dich jetzt mit klaren Worten, und zwar endgültig! Komm, ich helfe dir dabei.«

Raphael tat sich wahnsinnig schwer damit. Für ihn war der Bischof immer eine Vaterfigur gewesen, und er hatte sich ihm bisher bedingungslos gefügt. Wie früher seiner Mutter.

Im Bett sitzend schrieb er auf seine höfliche, respektvolle Art:

Sehr geehrter Herr Bischof,

es tut mir leid, Ihnen mit diesen Zeilen Schmerz und Enttäuschung zu bereiten.

Meine vor Monaten getroffene Entscheidung, im priesterlichen Dienst zu bleiben, muss ich hiermit korrigieren. Da jede denkbare Lösung die Erwartungen der jeweils anderen am Konflikt beteiligten Partei enttäuschen wird, habe ich mich um eine verantwortliche Lösung bemüht. Und einen endgültigen Entschluss gefasst. Ich wage fast zu sagen: Gott hat ihn gefasst. Ein klareres Zeichen konnte er gar nicht setzen: Wie Sie sicherlich wissen, wurden vor einigen Tagen meine Söhne geboren.

Ich ziehe zu Frau Kramer und unseren gemeinsamen Kindern – diesmal für immer.

Mir ist bewusst, dass ich Ihnen das nach all den vergangenen Bemühungen ihrerseits schwerlich einsichtig machen kann. Auch das Angebot, in den Westen auszureisen, muss ich dankend ablehnen. Ich habe den Antrag bei der Abteilung Inneres nicht gestellt. Mein Platz ist nun definitiv an der Seite meiner Frau und Kinder.

Ihren gut gemeinten Vorschlag, Frau Kramer sowie das Kind/die Kinder finanziell abzusichern oder diese in ein Waisenhaus zu geben, kann ich nicht akzeptieren. Für mich widerspricht das allem, was das Christentum ausmacht. Kindern die Eltern wegzunehmen und umgekehrt, hat nicht das Geringste mit Nächstenliebe zu tun, Herr Bischof.

Hochachtungsvoll,

Raphael von Ahrenberg

Doch damit war es noch nicht getan. Es galt, auch noch einen Brief an den Superior aufzusetzen und offiziell um die Entlassung aus dem Orden zu bitten.

An den Regional-Superior der Orden der Brüder Jesu

Betreff: Bitte um Entlassung aus dem Orden der Brüder Jesu.

Im Winter 1982 setzte ich Sie, sehr geehrter Herr Superior, von meiner Beziehung zu einer Frau in Kenntnis, die inzwischen Zwillinge von mir zur Welt gebracht hat.



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